RISIKEN & NEBENWIRKUNGEN

 
Ein Film von Michael Kreihsl
nach dem Theaterstück „Die Niere“ von Stefan Vögel                               
 
DARSTELLER: Samuel Finzi, Inka Friedrich, Thomas Mraz, Pia Hierzegger, Tijan Marei, Thomas Schubert, Susanne Wiegand, Hary Prinz, Michaela Kis, August Zirner, Daniela Mutafova, uva
 
DREHBUCH UND REGIE Michael Kreihsl
CASTING Eva Roth
BILDGESTALTUNG Wolfgang Thaler AAC, Carsten Thiele
SZENENBILD Julia Oberndorfinger, Hannes Salat
KOSTÜMBILD Monika Buttinger
MASKENBILD Tünde Kiss-Benke, Denise Stocker
TON Heinz Ebner, Manuel Grandpierre, Thomas Pötz
MONTAGE Andrea Wagner
MUSIK CONSULTING Charlotte Goltermann, Sandra Molzahn
PRODUKTIONSLEITUNG Gerhard Hannak
PRODUZENTEN Dieter Pochlatko, Jakob Pochlatko

EINE PRODUKTION DER EPO-FILM WIEN
Gefördert von ORF, ÖFI, FISA und Filmfond Wien
 
 

Synopsis

Nach einer Vorsorgeuntersuchung wird bei der Pilates Trainerin Kathrin ein Nierenleiden festgestellt. Sie braucht eine Spenderniere. Ihr Ehemann Arnold, der als vielbeschäftigter Architekt mitten in einem Großprojekt steckt, hat Angst ihr sofort seine Niere zu spenden. Götz, ein Freund des Paares, wäre hingegen bedingungslos zu dem Eingriff bereit, wenn er Kathrin damit das Leben retten kann. Die Stimmung unter den gut situierten Paaren, die unvermittelt mit Leben und Tod konfrontiert sind, kippt und zeigt die Brüchigkeit der jeweiligen Liebesbeziehungen. Und stellt schließlich die Frage nach der wahren Liebe.
 

Festivals

World Premiere: Shanghai Film Festival – Spectrum Section
Eröffnungsfilm 5 Seenfestival Starnberg
31. Internationales Filmfestival Emden-Norderney
30. FILMKUNST FEST MV, Schwerin
8th European Film Festival in South Africa – #euffsa

 

Kritiken

AFC Interview

 
 
 
Worauf muss man achten, wenn man Theater ins Kino übersetzt?
 
Film hat eine andere Wirklichkeit als Theater. Wenn man im Theater einen König auf die Bühne stellt - denken Sie an Shakespeare -, und ihm eine Pappendeckel-Krone aufsetzt, nimmt das Publikum der Figur das Königsein für die nächsten drei oder vier Stunden ab. Beim Film ist es anders. Die Authentizität wird immer wieder auf die Probe gestellt. In gewisser Weise bin ich in meiner Filmarbeit ein Simultanübersetzer des Natürlichen. Bei „Die Niere“, auf dem „Risiken und Nebenwirkungen“ basiert, habe ich den Figuren eine zusätzliche Dimension, einen größeren Raum geben. Das kann Film. Film kann auch sprechen, wenn niemand auf der Leinwand spricht. Bilder sprechen, das ist ein alter Hut; ein Blick sagt oft mehr als 1000 Worte. Das habe ich bei der Übersetzung beachtet. In meinem Film kommen mehr Figuren vor als im Theaterstück, wo lediglich zwei Paare an einer einzigen Location spielen, und ich habe alle meine Figuren mit einer Backstory ausgestattet, ihren Beziehungen mehr Tiefe, eine Vergangenheit gegeben, denn ich finde es spannend, im Film dieses Oszillieren zwischen Gut und Böse zu zeigen. Ich presse meine Figuren nicht in ein Schwarz-Weiß Muster, alle haben beides in sich. Ich muß alle meine Figuren gern haben können, alle müssen die gleichen Chancen haben, damit wir ihnen näherkommen und uns in ihnen wieder finden. Ich bin überzeugt, dass darin einer der Gründe liegt, warum Menschen ins Kino gehen. 
 
 
Wie sind Sie auf dieses Stück aufmerksam geworden?
 
Nachdem ich in Wien am „Theater in der Josefstadt“ einige Stücke von Daniel Glattauer zur Uraufführung gebracht hatte, wurde mir vom Theater Stefan Vögels Stück „Die Niere“ zugetragen. Ich kannte den Autor und wusste, dass er eine gute Hand hat, dass er eine spannende Story entwickeln kann. Die Grundfrage, die in „Die Niere“ steckt, fand ich auf Anhieb spannend. Das Projekt ruhte jedoch eine Weile, weil erst eine Uraufführung eines Glattauer-Stücks dazwischenkam. Die Thematik, diese männliche Ego-Figur, der ewige Checker, der für alles eine Lösung findet, aber bei den eigenen Emotionen nichts dazugelernt hat, hat mich aber nicht in Ruhe gelassen. Das Zusammenspiel mit seiner Frau, die vermeintlich die zweite Geige spielt, aber eigentlich die stärkere Person in der Beziehung ist, machte es noch reizvoller. 
 
Obwohl Sie das Figurenarsenal leicht vergrößert haben, liegt der Fokus nach wie vor auf zwei Ehepaaren. Worin liegt der Reiz, sich im Film auf wenige Figuren zu konzentrieren?
 
Der Reiz – und gleichzeitig die Herausforderung - ist, dass man mit den wenigen Figuren, die man hat, auskommen muss. Man muss in den Konflikt hineingehen. Bildlich gesprochen: Ich habe nur einen Boxring, in dem ich die inneren Kämpfe, die die Figuren austragen, erzählen kann. Es geht nicht einfach nur Nebenhandlungen einzuflechten. Ich muss mit den 4 Personen am Hauptthema bleiben. Es ist eine Limitierung, die eine Konzentration schafft. Ich habe den Schauspielern immer gesagt, dass die Szenen für die Menschen, die im Kino sitzen, lustig sein können. Für euch sind sie es aber nicht. Das ist für mich das Wesen der Komödie: die Probleme der handelnden Personen sind für diese immer existenziell. 
 
Haben Sie die nötigen Instrumente in der österreichischen Filmindustrie, um die Stoffe umzusetzen, die Ihnen gefallen?
 
Ein Kinofilm ist immer eine Herausforderung, oft ein langer Weg, fast eine Expedition. In Österreich sind wir bei großen Filmen oft auf Koproduktion angewiesen.
Beim Stoff kommt es immer aufs Thema und auf den Cast an, ob eine Koproduktion für alle Seiten attraktiv ist. Ich persönlich erzähle lieber über Themen, die vor der Haustür liegen, als Eskapismus zu betreiben. Man kann doch das, was man kennt, am besten erzählen. Die persönliche Handschrift sollte auch bei Koproduktionen gewahrt bleiben.Mit dem deutschen Markt haben wir nicht nur auf der Schauspielerebene einen erfolgreichen Austausch. Das ist spannend, die Mischung macht’s. 
 
Gleichwohl hat der österreichische Film eine Strahlkraft, die nicht selten auch bei den großen Festivals Anklang findet…
 
Wir haben wahrscheinlich nicht so einen Marktdruck. Vielleicht ist es vergleichbar mit einem Feinkostgeschäft und einem Supermarkt. Ein Feinkostgeschäft muss sich keine Großkonzernstrategien überlegen, sondern kann seine Waren als „homemade“ anbieten. Vielleicht sind wir auf eine gewisse Art auch eigensinnig. Das hat möglicherweise mit der Förderung zu tun. In Deutschland ist es doch so, dass die TV-Redaktionen bei Kinoprojekten von Anfang an sehr stark vorkommen - was eine wichtige Säule für Projekte ist. Aber es kann damit auch eine Begehrlichkeit des Fernsehens verbunden sein, mit ästhetischen Vorstellungen des Fernsehens ins Kino zu wollen. Wir wissen alle: Kino ist Kino. Michael Haneke hat mit seinem langsam getakteten Filme „Amour“ den Oscar gewonnen. Auch die Streamingdienste beweisen, dass es oft ohne schnelle Reize, Schnitte und Effekte geht, auf die das Fernsehen stellenweise nach  wie vor setzt, um möglichst viele Leute vor den Bildschirmen zu halten. Es kommen Serien in langsamer Erzählweise  und langsamen Rhythmus heraus, wo die Zuschauer Zeit haben zu „sehen“. Das ist hochinteressant, dass ein Publikum beginnt genauer hinzuschauen. 
 
Was schätzen Sie als Regisseur am Theater, am Fernsehen, am Kino? 
 
Schwer zu sagen. Es ist ähnlich einer Urlaubsbekanntschaft…arbeitet man in dem einen Bereich, sehnt man sich nach dem anderen. Den Prozess am Theater schätze ich, weil man sechs, sieben Wochen am Stück Proben darf, Figuren entwickeln kann. Im Kino mag ich, dass der spontane Moment zählt und der eingefangen werden kann, für immer. 
Im Kino ist der dramaturgische Bogen oft ein anderer, als im Fernsehen. Denken Sie an Robert Altman, an seinen Film „Short Cuts“: Man schaut 30 Minuten zu und hat keine Ahnung, zu welcher Geschichte die einzelnen Personen gehören. Das ein wunderbarer Film, der sich langsam und spannend entwickelt. Ich muss mir immer genau überlegen, wie man was in welchem Medium inszeniert. Die verschiedenen Arbeitsfelder kann ich nicht gegeneinander aufrechnen. In jedem geht es um Genauigkeit und präzises Arbeiten.
 
 
Ihr Weg kreuzte sich mit vielen verschiedenen österreichischen Produzenten. „Risiken & Nebenwirkungen“ wurde von epo-Film produziert, mit denen Sie bereits oft im TV zusammengearbeitet haben. Was fällt Ihnen in der Produktionslandschaft auf?
 
Es gibt bei uns absolut kreative und verlässliche Produzenten. Alle Produzenten, für die ich tätig war, haben sich sehr für ihre Projekte eingesetzt, haben alle gekämpften, um sie zu realisieren. Das ist wunderbar. Für mich sind Respekt und Vertrauen die wichtigsten Aspekte. Das zeichnet auch meine langjährige Zusammenarbeit mit Dieter Pochlatko und seinem Sohn Jakob von der Epo aus. Mein Rücken wird mir immer freigehalten. Dass man wirtschaftlich bleibt, steht außer Frage. Aber ich habe die Chance, frei im Sinne von konzentriert, zu arbeiten. Dieses Vertrauensverhältnis bewirkt eine gute Arbeit, legt sich auf die gesamte Arbeit und erzeugt ein gutes Ergebnis. Ich halte es mit meinen Schauspielern ebenso. Ich schenke ihnen Vertrauen, dann wird die Arbeit auch gut. 
 
Interview AFC karin schiefer